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Publicly Available Published by De Gruyter April 20, 2018

Kaunzner, Ulrike A.: Aussprachekurs Deutsch: Übungsprogramm zur Verbesserung der Aussprache für Unterricht und Selbststudium. Text- und Übungsbuch. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Tübingen: Stauffenburg, 2017. – ISBN 978-3-87276-922-0, 235 Seiten, € 24,80.

  • Peter Paschke

Rezensierte Publikation:

Kaunzner, Ulrike A.: Aussprachekurs Deutsch: Übungsprogramm zur Verbesserung der Aussprache für Unterricht und Selbststudium. Text- und Übungsbuch. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Tübingen: Stauffenburg, 2017. – ISBN 978-3-87276-922–0, 235 Seiten, € 24,80.


Bei diesem Lehrmittel zur Aussprache handelt es sich um die aktualisierte und erweiterte Neuauflage des gleichnamigen Übungsprogramms von 1997 (Kaunzner 1997). Die erste Auflage wurde besonders für die (nahezu) vollständige Abdeckung aller lautlichen Problembereiche, für die gelungene Einbettung der Sprechübungen und für die erstklassige Qualität der Studioaufnahmen gelobt (vgl. die Rezensionen von Hirschfeld 1999 und Leuschner / Van Pottelberge 2001). Die Audioaufnahmen (ca. 400 Min., mit Nachsprechpausen), die dem Rezensenten nicht vorlagen, können in Form von 2 MP3-CDs (€ 29,80) oder 6 Audio-CDs (€ 39,80) separat erworben werden. Da sie nur zum Teil neu eingespielt wurden und die Sprecher dieselben wie bei der ersten Auflage sind (U. Kaunzner, J. Filliés), ist davon auszugehen, dass der hohe Qualitätsstandard beibehalten wurde.

Der Aussprachekurs geht nicht auf die besonderen Schwierigkeiten der deutschen Aussprache für Sprecherinnen und Sprecher bestimmter Ausgangssprachen ein, sondern bietet ein umfangreiches Programm, aus dem je nach Bedarf ausgewählt werden kann. Wie der Untertitel deutlich macht, ist der Kurs sowohl für den DaF-/DaZ-Unterricht wie für Selbstlernerinnen und -lerner gedacht (vi), wobei für das Selbststudium (insbesondere wegen der verwendeten Metasprache und mancher seltener Übungswörter) mindestens die Sprachstufe B1 Voraussetzung ist (9). Allerdings gibt es keine Übungen, die den Selbstlernenden mittels Lösungsschlüssel eine Lernkontrolle ermöglichen würden.

Zum Aufbau: Auf ein knapperes und ein ausführliches Inhaltsverzeichnis (ix-xx) folgen eine „Kurzanleitung für die Arbeit mit dem Aussprachekurs“ (1–3), ein an Lehrkräfte gerichtetes Kapitel mit methodisch-didaktischen Überlegungen (5–15), eine Darstellung des deutschen Lautsystems (15–24) mit Beschreibung der Sprechwerkzeuge und der Artikulation von Vokalen (Vokalviereck, Vokalqualität und ‑quantität und zugehörige Ausspracheregeln) und Konsonanten (Artikulationsstelle und ‑art, stimmhafte/stimmlose Konsonanten) sowie mit Lauttabellen. Der Hauptteil des Buches (25–209) mit den Übungen (stets mit Verweis auf die zugehörigen CD-Aufnahmen) gliedert sich in die Kapitel: Vokale, Diphthonge, Stimmeinsätze (Glottisplosiv und Hauchlaut), Konsonanten, Konsonantenverbindungen, Wortgrenzen, Prosodische Merkmale (Wortakzent, Satzakzent, Melodieführung: jeweils mit Erklärungen und Übungen), Intonationsmuster (Dialoge mit unterschiedlicher emotionaler Färbung) und Sprechbeispiele aus dem Alltag (Vortrag, Nachrichten, Interview, Gespräch). Ein Phonetik-Glossar (211–2015) und eine Liste mit einsprachigen Erläuterungen zu schwierigen (in den Übungen mit Sternchen* markierten) Wörtern (217–235) schließen das Buch ab.

Grundlage der von Kaunzner verwendeten IPA-Transkription ist die 7. Auflage des Duden-Aussprachewörterbuchs (Kleiner u. a. 2015), das aufgrund seiner Aktualität und der Downloadmöglichkeit dem De-Gruyter Aussprachewörterbuch (Krech u. a. 2010) vorgezogen wurde (v). Leider führt diese Entscheidung zur Verwendung des Glottisplosiv-Symbols [|], während IPA (abweichend von der Aussage Seite 69) bekanntlich [Ɂ] verwendet. Andererseits ist es aus Lernersicht nachvollziehbar, dass die Autorin sich überhaupt für ein einziges Referenzwerk als Grundlage entschieden hat. Im Übrigen wird auf einige abweichende Transkriptionsregeln von Krech u. a. (2010) in Fußnoten hingewiesen. Erwähnenswert ist, dass immer nur einzelne Laute transkribiert werden, (fast) nie ganze Wörter oder gar Sätze. Bei einer Verwendung in universitären Kontexten, in denen auch die Transkription gefordert wird, ist dieser Umstand etwas bedauerlich.

Was die phonostilistische Differenzierung betrifft, so beschränkt sich Kaunzner auch in der Neuauflage ganz weitgehend auf die normative Aussprache, wie sie in Aussprachewörterbüchern für isolierte Wörter festgelegt ist. Koartikulatorische Phänomene der phonetischen Reduktion, Elision und Assimilation werden zwar in der Lautlehre (22) angesprochen, kommen aber im Übungsteil (Ausnahme: Assimilation der Endung <-en>, 78) zu kurz. Auf jeden Fall wäre ein Kapitel zu den Schwachformen der Funktionswörter sinnvoll gewesen.

In der Einführung in die Lautlehre, die an die Lernenden gerichtet ist, erscheinen die Regeln zur Aussprache der akzentuierten Vokale problematisch. Einmal abgesehen davon, dass der Opposition offen-geschlossen (die nur jeweils innerhalb eines Vokalpaares gilt) die Vokalqualitäten gespannt-ungespannt vorzuziehen wären, kann die phonologische Regel, nach der (potenziell) offene Silben lange Vokale und (in allen Flexionsformen) geschlossene Silben kurze Vokale haben, kaum kohärent formuliert werden, wenn das Phänomen des Silbengelenks bzw. des losen (Bsp. Koma) und festen Anschlusses (Bsp. Komma) nicht eingeführt wird. Sprechen und kochen (18, Fußnote 14) sind nämlich insofern keine Ausnahmen, als hier feste Anschlüsse und geschlossene Akzentsilben vorliegen. Auch die fehlende Unterscheidung von Konsonant (Laut) und Konsonantenbuchstabe (Graphem) macht die Regelformulierung etwas unklar. Schließlich wäre neben den Problemen bei <ch> (Dach (kurz) vs. nach (lang)) auf analoge Schwierigkeiten bei <sch> (kuschen (kurz) vs. duschen (lang)), bei <erd>/<ert> (fertig vs. Wert) und bei <st> (Rost vs. Prost) hinzuweisen.

Im Übungsteil hat die Autorin gegenüber der 1. Auflage auf manche Kritik reagiert und einige Veränderungen vorgenommen. So beginnt der Vokalteil nicht mehr mit den schwierigen e-Lauten, sondern folgt der physiologischen Sequenz I-E-A-O-U, während die für viele Sprecher besonders schwierigen Ö- und Ü-Laute an den Schluss gerückt sind. Neu ist auch ein Abschnitt zum unsilbischen I-Laut (z. B. Union). Der Abschnitt über das vokalisierte R wurde von den Schwa-Endungen (75, unklar bleibt der Begriff „vokalisierte Endungen“ in der Überschrift) getrennt und dem Konsonanten r zugeordnet. Auch wurden Übungen zu den Nasalen [m], [n] und zum Liquid [l] hinzugefügt. Der Aussprachekurs berücksichtigt auch weiterhin die kurzen gespannten Vokale [e, i, o, u, y], die überwiegend in nicht-nativen Wörtern vorkommen (Frisur,egal, Kino, Musik, Büro), was bei der 1. Auflage teils als unnötige Komplizierung (Hirschfeld 1999: 249) kritisiert, teils positiv vermerkt wurde (Leuschner/Van Pottelberge 2001). Aus meiner Sicht ist es lobenswert, die Frage aufzugreifen, wie denn die nicht akzentuierten Vollvokale (in Simplizia) auszusprechen sind. Es wäre aber darauf hinzuweisen gewesen, dass es sich hier stets um unbetonte Vollvokale handelt (weshalb die Unterstreichung des Vokals in den Übungen etwas irritierend ist und Irland auf Seite 26 nicht hierher gehört). Außerdem wäre es sinnvoll gewesen, auch das unbetonte [a] zu berücksichtigen (Sa'­lat) und die Rolle der Silbenstruktur (offen/geschlossen) für die Qualität unbetonter Vollvokale darzustellen (Mu'sik [gespannt] vs. simul'tan [ungespannt]). Aus phonetischer Sicht mag das müßig erscheinen, weil es das Lautinventar nicht berührt, aber in einem Aussprachekurs sind solche Fragen durchaus interessant, auch wenn insgesamt gesehen die Vokale in akzentuierter Silbe aufgrund ihrer perzeptiven Salienz für eine verständliche Aussprache deutlich wichtiger sind.

Eine typische Übungsabfolge beginnt mit dem Nachsprechen kurzer Sätze, beim kurzen ungespannten Ö-Laut z. B.: Denken Sie ... an Ihre Töchter? an die armen Völker? an die Mönche? usw. (50). Hier erscheint der zu übende Laut in minimalen, aber prosodisch vollständigen Kontexten und in unterschiedlichen Lautumgebungen. Es folgen (ebd.) Nachsprechübungen zur Kontrastierung sowohl mit isolierten Wortpaaren (z. B. HöhleHölle, Öfenöffnen) als auch mit kurzen Wortgruppen (Goethes Götz, ein gewöhnlicher Mörder). In ähnlicher Weise wird [œ] mit [ɛ], [ɔ] und [ʏ] kontrastiert und das gespannte, lange [ø:] mit [e:], [o:], [y:] (51–53). Den Abschluss (54) bildet dann ein Text zum Nachsprechen, in dem die Ö-Laute gemischt vorkommen (Das Ötztal liegt in Österreich. Dort gibt es schöne Höfe...). Einzelne Wortpaare werden einmal vorgesprochen, Wortgruppen und kurze Äußerungen zweimal. Das Übungsangebot beschränkt sich im Wesentlichen auf das Hören, Nachsprechen und Vorlesen. Zwar gibt die Autorin (11) einige Hinweise dazu, wie die Arbeit mit den Übungen in der Klasse abwechslungsreicher gestaltet werden kann, aber dennoch ist die Kritik an der 1. Auflage (vgl. die zitierten Rezensionen) nachvollziehbar, es fehlten Elemente des entdeckenden Lernens und Kontrollmöglichkeiten für die Perzeption (z. B. durch Ankreuzen, Unterstreichen usw.). Zwar betont auch Kaunzner mehrfach die Bedeutung der Hörschulung (5–7), aber dem entspricht keine Umsetzung im Übungsapparat. Besonders für das im Untertitel des Kurses angesprochene Selbststudium ist dies ein deutliches Manko.

Der Prosodieteil bleibt auch in der Neuauflage des Aussprachekurses am Schluss, was in gewisser Weise im Widerspruch zu der Überzeugung steht, dass der Ausspracheerwerb (wie in der L1) bei der Prosodie beginnen müsse. Allerdings spiegelt die Gliederung des Buches keine Progression wider; im Unterricht kann also durchaus mit diesem Teil begonnen werden. Außerdem sind die Lautübungen, wie erwähnt, in sinnvolle prosodische Kontexte eingebettet, d. h. die Prosodie wird auch bei den Laut-Nachsprechübungen implizit immer mitgelernt. Der Prosodieteil gliedert sich in drei Abschnitte zu Wortakzent, Satzakzent und Melodieführung und schließt längere Erklärungen mit ein, da in der Lautlehre (15 ff.) diese Fragen nicht behandelt wurden. Bei den Akzentuierungsmitteln hätte man, wie schon Hirschfeld (1999) vorschlägt, die Artikulationsspannung und ‑präzision einbeziehen können. Problematisch erscheint zum Teil die verwendete Terminologie, z. B. „etymologischer Wortakzent“ (171) statt dem üblichen und auch sonst (z. B. 180) verwendeten Terminus „Stammbetonung“ (beide fehlen übrigens im Glossar, 211 ff.). Auch das Nebeneinander von „Konstituente“ (171), „Wortbildungselement“ (178) und „Morphem“ (z. B. 75 mit einer Erklärung in der Fußnote, trotz Eintrag im Glossar) trägt nicht unbedingt zur Transparenz (für die Lernenden) bei. Die Erklärungen und Übungen zum Wortakzent sind aber inhaltlich korrekt. Lediglich bei den Internationalismen bzw. Fremdwörtern (Politik, Situation, Konferenz), wo das Stammbetonungsprinzip die Akzentposition nicht erklären kann, wäre es sinnvoll gewesen, andere Erklärungsansätze wie z. B. den paradigmatischen Pänultima-Akzent (Paschke/Vogt 2010) zu berücksichtigen und stärker auf Inkohärenzen (Mu'sik vs. 'Technik, Ko'pie vs. Ge'ranie) einzugehen. Bei der „Akzentverschiebung“ (180 f.) hätte es Sinn gemacht, zwischen Wortbildung ('KubaKu­'ba­ner) und Flexion ('LektorLek'toren) zu unterscheiden, da Akzentverlagerung im deutschen Flexionsparadigma eine absolute Ausnahme ist. Im Abschnitt zum Satzakzent ist die prosodische Gleichsetzung von Äußerungen mit engem Fokus (Wohin fliegt ihr? – Wir fliegen nach BerLIN, 188) und kontrastivem Satzakzent (MORgen Abend wird es regnen. (Nicht heute!), 189) nicht unproblematisch im Hinblick auf die phonetische Akzentrealisierung. Auch wären Übungen sinnvoll gewesen, in denen ein nichtfinaler Fokusakzent (Satzakzent) bei weitem Fokus vor finalen Verbformen auftritt (Was gibt’s Neues? – Wir sind neulich nach New YORK geflogen), was vielen Lernenden Probleme bereitet (vgl. Paschke/Vogt 2015). Im Abschnitt über die „Melodieführung“ geht es um die „Endmelodie“ von „Aussprüchen“: terminal, progredient und interrogativ. Hier ist u. a. zu loben, dass auch W-Fragen mit steigender Endmelodie (für besonders freundliche Fragen oder Nachfragen) behandelt werden (197). Umgekehrt hätte man freilich auch Ja-Nein-Fragen mit fallender Intonation, die pragmatisch oft eher Aufforderungen sind (Kommst du jetzt endlich?↓) oder nur eine kurze Antwort verlangen (Sind Sie verheiratet?↓ – Ja.), aufführen können (vgl. Peters 2006: 113 f.).

Fazit: Der Aussprachekurs von Ulrike Kaunzner ist auch in der überarbeiteten Auflage ein Lehrmittel, das sich durch eine umfangreiche Palette an übersichtlich gegliederten und sinnvoll eingebetteten Nachsprechübungen in guter Tonqualität auszeichnet. Neben einigen Schwächen in den Erklärungen und in der Terminologie bleibt als Hauptnachteil das Fehlen von Diskriminations- und anderen perzeptiven Übungen mit kontrollierbaren Lösungen. Dies lässt einen Einsatz im Selbststudium nur bedingt sinnvoll erscheinen.

Literatur

Hirschfeld, Ursula (1999): „Ulrike A. Kaunzner: Aussprachekurs Deutsch (1997)“ [Rezension]. In: Deutsch als Fremdsprache 36, 248–250. Search in Google Scholar

Kaunzner, Ulrike A. (1997): Aussprachekurs Deutsch: Ein komplettes Übungsprogramm zur Verbesserung der Aussprache für Unterricht und Selbststudium. Heidelberg: Groos. Search in Google Scholar

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Leuschner, Torsten; Van Pottelberge, Jeroen (2001): „Ulrike A. Kaunzner: Aussprachkurs Deutsch (1997)“ [Rezension]. In: Linguistik online 9, 2.Search in Google Scholar

Paschke, Peter; Vogt, Barbara (2010): „Wortakzent in Internationalismen: Zur didaktischen Reichweite des paradigmatischen Pänultima-Akzents“. In: Deutsch als Fremdsprache 47, 169–178.10.37307/j.2198-2430.2010.03.06Search in Google Scholar

Paschke, Peter; Vogt, Barbara (2015): „Non-final Focus Accents in the Speech of Advanced Italian Learners of German”. In: Linguistik online 72, 3, 89–110.10.13092/lo.72.1974Search in Google Scholar

Peters, Jörg (2006): „Intonation“. In: Dudenredaktion (Hrsg.): Duden – Die Grammatik. Mannheim: Dudenverlag, 95–128.Search in Google Scholar

Online erschienen: 2018-4-20
Erschienen im Druck: 2018-4-5

© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 29.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/infodaf-2018-0033/html
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